3. Der utopische Urknall

 

Längst führt der Zeitgenosse ein Doppelleben. Er bewegt sich einerseits in körperlicher und kultureller Weltlichkeit und andererseits in der kommunikativen Sphäre der Neuen Medien. Doch bereits die herkömmlichen Medien "arbeiten ... mit an einer ´zweiten Natur´ des Menschen, welche die erste mit all ihren Nöten hat vergessen lassen" (Kamper 1991, 96). Die sogenannte Realität wird durch die mediale Verdoppelung zum Ausnahmezustand. Was die Wahrnehmung realiter sieht, sieht sie aber erst im Computer einschließlich dem Abwesenden und Immateriellen, das sie nie sehen konnte. Realweltliche Wahrnehmung wird insofern inkompetent, als erst der Netzanschluß die grenzüberschreitende Durchdringung wahrnehmen läßt. Das Digital schiebt sich als Bedingung der Weltwahrnehmung in den Horizont des Wahrnehmenden: "Im Diskurs über den Computer", so Weibel, "in der Klage über den Verlust des Denkens und des Menschlichen wird eigentlich ein Diskurs über die Realität geführt, nämlich über den Verlust eines historischen Territoriums" (1989, 107). Die Absage Weibels an die altvertraute Welt ist so konsequent wie radikal: "Technik befreit von der Tyrannei des hic et nunc, vom Terror der Natur" (1991, 226). Hat die Natur die Menschheit über Jahrtausende hinweg mit Irdischem, mit Unbegreifbarkeit und Stechmücken geplagt, so ist nun Schluß damit. Im Virtuellen ist alles sauber, kalkuliert und körperlos. Das Hier und Jetzt ist ein Überall und Nirgends.

Doch nicht nur die Natur, auch das - natürliche - Menschengehirn scheint nicht mehr auf der Höhe der Zeit zu sein, denn den Rechenkapazitäten der Apparate unterliegt es bei weitem. Der Mensch scheint als Träger der Informationen nicht mehr auszureichen, sein Gehirn hat gewissermaßen Rost angesetzt, denn es entwickelt sich offensichtlich nicht weiter. Den Apparaten zu entsprechen, müßte man das Gehirn künstlich pushen. Da aber Bit-Infusionen an der Verarbeitungsweise der Synapsen scheitern, ist die Entwicklung biotechnischer brainchips naheliegend. In diesen Interfaces haben die Bit-Informationen Einfluß auf die meatware, ´als ob sie unsere genetischen Mängel kompensieren würden´ (vgl. Stelarc 1995, 73). Gerne würde man den Computer direkt ins Gehirn verpflanzen - es scheint "Gehirnchirurgie ... eine geringfügige Unannehmlichkeit zu sein, wenn man dadurch die Fähigkeit gewinnen würde, sich an alles zu erinnern" (Barlow 1991, 262). Ist die totale Erinnerung das nächste Ziel der Evolution? Wenn die Informationsgesamtheit unmittelbar dem Nervensystem zugänglich wäre, würde der Mensch geradezu identisch mit der virtuellen Welt werden. [1]

Den Apparaten ist die ´totale Erinnerung´ als Voraussetzung ihrer Kompetenz in die Wiege gelegt. Doch nicht genug, Cyberspacestrategen erwarten die Entwicklung von Intelligenz auch in den Mikrochips selbst: "Wenn die Komplexität des zugrundeliegenden Substrats [der Software] hoch genug ist, sehe ich keinen Grund, warum Bewußtsein nicht auch in Silizium, anstatt nur in Kohlenstoff, einziehen wird" (Schröder 1991, 133). Auch am Media Lab wartet man gespannt, ´was passiert, wenn man es schafft, Computerprozesse auf sich selbst reagieren zu lassen´ (vgl. Brand 1990, 244). Es wird davon ausgegangen, daß die Maschinen im Umgang mit ihrer eigenen Komplexität so gut werden, daß sie beginnen, sich mit ihrer eigenen Komplexität zu befassen. "Dabei werden Maschinen entstehen, die sich weiterentwickeln" (ebd.). Das Gehirn also scheint sich nicht länger nur im menschlichen Kopf aufhalten zu müssen. Da weder menschliche Vernunft noch Intelligenz auszureichen scheinen, beispielsweise die ökologischen Probleme der Erde zu lösen, wären ´künstliche Intelligenzen´ geradezu zwingend. Sie sollten äußerst kompetent sein, da ihnen alle irdischen Informationen echtzeitflexibel zur Verfügung stehen. [2]

Wer also glaubt, es gäbe keine Utopien mehr, darf sich getäuscht sehen. Die Telematie als Utopie rein technischer Art geht davon aus, daß "die Technik erschafft beziehungsweise nur vollendet, was die Natur nicht zustande beziehungsweise nicht zu Ende bringen kann" (Weibel 1991, 224). "Durch die Leistungen der Maschine", so Weibel mit W. Sombart, "werden die Leistungen des Menschen über das natürliche Ausmaß seiner Organe hinausgehoben" (1989, 95f). Weibel bestreitet, daß im neuen Territorium "das menschliche Gesicht im Ozean der Telekommunikation verschwinden wird. Gerade im Gegenteil, das menschliche Gesicht wird erst dann sein eigentliches Profil erreichen. Es wäre nämlich wirklich absurd ... anzunehmen, daß wir mit den historisch erreichten Grenzen des Territoriums bereits wüßten, was ein Territorium, ein menschliches Territorium sein kann" (ebd. 107). Erst der Digitalanschluß scheint ´die Menschwerdung zu beschleunigen´ (vgl. Lévy 1997, 12). Weibel geht - erneut mit Sombart - so weit zu sagen, "in qualitativer und vor allem in quantitativer Hinsicht steigert die Maschine das menschliche Können über das individuell erreichbare Maximum von Vollkommenheit hinaus" (1989, 96). Der Mensch sei eine Art ´Prothesengott´ geworden und "ferne Zeiten werden ... die Gottähnlichkeit noch weiter steigern" (vgl. ders. mit S. Freud ebd. 97).

Allzu göttlich sind die Attribute, die dem Neuen zugeschrieben werden. Gott scheint gepfuscht zu haben. Er scheint vergessen zu haben, dem Menschen einen Computer auf die Schultern zu setzen. Glaubte man bislang den Menschen als Gipfel der Evolution, nun herrscht der Glaube an die Wunder der Technogenese. Angesichts der Verlautbarungen um Allwissenheit, Allgegenwart und Echtzeit - halleluja! - wird suggeriert, die Menschheit sei zurück bis zu Adam und Eva taub, stumm und dumm und ohne Verkabelung lebensunfähig gewesen. Die ´Cyberspacianer´, so Rötzer, ´glauben sich an der Spitze des Zeitgeistes zu befinden und, wie einst die Kommunisten, die Macht der Geschichte hinter sich zu haben´ (vgl. 1996, 77). Der Mythos eines in naher Zukunft einzulösenden informatorischen und kommunikativen Heils wird zur Utopie neofuturistischer Allmachtsphantasien.

So perfekt die Prothesen auch sein mögen, die ´Künstlichen Intelligenzen´ des Digitals liegen weit hinter dem menschlich komplexen Denkvermögen zurück. Denken ist im Digital Datenverarbeitung und Entscheidungen sind kybernetisches Rechnen. Die Algebra verwandelt die Komplexität von Mensch, Welt, Kultur, Wissen und Natur in das kalkulierbare Maß der Abzählbarkeit. Mensch, Welt, Kultur, Wissen und Natur werden zu abstrakten Durchschnittswerten ihrer selbst. Was lebensweltlich zu komplex ist und die Speicher- und Datenverarbeitunskapazitäten übersteigt, wird nicht Eingang in die Digitalrealität finden. Es wird ignoriert werden und der menschlichen Kopie nicht als Parameter zur Verfügung stehen. Weibel freilich bringt diese Situation wiederum auf einen anschaulichen Nenner: "Wenn die Landschaft immer grauer wird, muß sich in der Natur der Schmetterling, um zu überleben, anpassen, indem er grau wird" (1989b, 74). Da Buntheit, Widersprüchlichkeit, Individualität und Metaphysisches, kurz: Komplexes nur schwer einholbar ist, ist es einerseits auch nicht vermittelbar und wird zum Digitaltabu, andererseits wird die Buntheit mittels der vorhandenen Informationen als Komplexitätsersatz simuliert.[3]

Trotz multimedialer Sinneserweiterung also ist das Digital keineswegs human-, denk-, und komplexitätskompatibel. Auch mit Prothesenanschluß wird das natürliche Ausmaß der Körper nicht automatisch digitalidentisch, sondern bleibt überaus körpergebunden. Auch weder Beinprothesen noch Kontaktlinsen noch Hörgeräte werden zum Körper. Sie sind Ersatzteile, Hilfsmittel und Werkzeuge, und werden durchaus als Behinderung empfunden. Ein Interface zeichnet sich gerade dadurch aus, zwischen unterschiedlichen Seinsbereichen zu vermitteln, ohne mit der ´anderen Seite´ identisch werden zu müssen.

 Selbst wenn die Virtuelle Realität virtuelle Reisen ermöglicht, werden die ´Leistungen des Menschen´ keineswegs auf technische Weise ´über das natürliche Ausmaß seiner Organe hinausgehoben´. Die Sinnesorgane werden vielmehr genutzt, um durch einen gewaltigen Schub an Aufmerksamkeit Datenräume erleben zu können. Man kann Bildschirme und das Virtuelle wahrnehmen - wie auch Bücher und Bäume. Selbst eine Beeinflussung des Zentralnervensystems setzt das Nervensystem als autonomes Zielobjekt voraus. ´Vollkommenheit´ ist folglich nur eine Erweiterung der Wahrnehmung dank Interface-Optimierung. Weibel selbst betont den quantitativen Charakter des ´erreichbaren Maximums´ (s.o.). Das Apparatische übertrifft die Sinnesqualitäten quantitativ, das Qualitative dagegen leisten weiterhin die Sinnesorgane. Zwar spielen die Multimedien auf der Tastatur der Sinne, das wahre Multimedium aber bleibt der menschliche Sinnesapparat selbst.

Ohne gottähnlich und menschlich-komplex zu sein, fordern die Neuen Medien die Sinne dennoch weit intensiver als das Fernsehen. Die Sinnesorgane und mit ihnen das Denken geraten in eine taktile Zwickmühle: Die Digitaltechniken wirken näher an der Netzhaut und dringen tiefer in den Körper ein als die herkömmlichen Medien. Die Interfaces und Bildschirme fesseln unmittelbar. Sie verkürzen die Reaktionszeiten der Informationsaufnahme und erfordern eine Steigerung der Wahrnehmung unter apparatischen Bedingungen. Die raffiniert installierten technischen Sinnesadapter überlisten und verführen die Sinnesorgane im Frontalangriff. Sie fordern sie heraus und zwingen sie auf die ´grauen´, mathematischen Kausalitäten: "Die auf Vermittlung gebaute künstliche Welt", so Kamper, "erhebt Anspruch auf eine andere Unendlichkeit" (1996, 356). Sie entspricht nicht der lebensweltlich unendlichen Komplexität, sondern der Unendlichkeit der Datenverarbeitung. In der Synergie haben sich die qualitativ komplexen Sinne auf die quantitativ kaum bearbeitbare Rechen- und Speicherleistung der Apparate einzuspielen.

Obwohl das Digital auf Quantitäten setzt und das komplex und qualitativ Menschliche außen vor läßt, hat der heutige Zeitgenosse dem rasant sich ereignenden Wandel umso eifriger zu folgen, als das in den digitalen Reißwolf geladene Wissen nur in seiner Digitalversion optimal wahrnehmbar ist. Information nicht als Wissen, Sinn nicht als Weisheitsschub, sondern Daten als Gestaltungsmasse werden zum Testfall der Wahrnehmung. Die virtuell entstehenden möglichen Realitäten sind optimal nur über Bildschirme oder andere Prothesen vermittelbar: Die biologische Evolution wurde postbiologisch von der technologischen Evolution übertroffen. Im Digital wird die bislang natürliche Evolution aufgrund reiner Information in rein analytischer und operabler Form technologisch weitergespielt und ist als solche weit mutationsfreudiger als in der irdischen Realversion. Die Algo-Rhythmik legt sowohl die Wahrnehmungsgrundlagen als auch die Entwicklungsbedingungen fest.

Das Summa Summarum des bislang geistig Denkbaren kreiert Hand in Hand mit dem Immateriellen des Nicht-Sichtbaren Wirklichkeiten, die der Betrachter unter digitalen Bedingungen anzunehmen hat, will er die eingescannte und mutierte Welt überhaupt wahrnehmen, ernst nehmen und beurteilen können. Den Neuen Medien ist umso weniger zu entkommen als die intellektuelle ´Gleichschaltung´ mit der ´anderen Unendlichkeit´ eine ´andere´ Wahrnehmung abverlangt als realiter. Da die Apparate nicht ´denken´, sondern rechnen, ist ihnen die rein menschliche Wahrnehmung unvollkommen. In der Tat also - um im Evolutionsbild Weibels zu bleiben - muß sich der Betrachter, ´wenn die Landschaft immer digitaler wird, um zu überleben, anpassen, indem er selbst digital wird´. Das virtuell Unendliche konkurriert erfolgreich mit dem Denken und der Komplexität der Lebenswelt, da es der ontologisch anderen: der technologischen Qualität folgt. - Anstatt aber die ohnehin stattfindende informationstechnologische Aufrüstung utopisch zu überhöhen, stünden Visionen einer Schärfung der Sinne an. Um tatsächlich ´zu überleben´, will das Komplexe noch im Digitalen eingelöst sein.

Dem Orginal des Homo Copy ist eine eigentümliche Art der Selbstreflektion nahezulegen: Da auch seine DNS gen- und informationstechnologisch simuliert wird, bedeutet "menschlich zu sein ... nicht mehr, in ein genetisches Gedächtnis eingetaucht zu sein, sondern in einem elektronischen Feld von maschinellen Netzwerken rekonfiguriert zu werden: Im Reich des Bildes" (Stelarc 1995, 81). Das Rückgrad des Denkens nimmt jenseits des Fleisches Gestalt an, womit das menschliche Zentralnervensystem zu einer Art Steißbein der ´anderen Unendlichkeit´ zu verkümmern droht. Erst im Digital kann sich das Nervensystem, der Änderbarkeit der Algorithmen folgend, frei von Naturbedingungen weiterentwickeln und die Realwelt hinter sich lassen. Sei der optimal vernetzte Cyborg, der ´Cybernetic Organism´ nun ein durch Roboterprothesen geklonter Mensch, eine dem Nervensystem eingeflößte Datensammlung oder eine Verzauberung der Sinne, er bleibt medienblind, solange er die Transformationen nicht selbstwahrnehmend durchschaut. Wenn die technologischen ´Desingnerdrogen die Synapsen im menschlichen Hauptprozessor stimulieren´ und die ´innere Bildwechselfrequenz´ auf Turbo bringen (vgl. Agentur Bilwet 1993, 40), so hat der Betrachter die Beschleunigung der inneren Geschwindigkeit umso intensiver zu transzendieren.

Die ´Weltbewegung, die die Ausführung unseres Entwurfs von ihr werden soll´, analysiert Sloterdijk als ´kinetische Utopie´ (vgl. 1989, 23). In ihr wird die Kopie zum Vorbild des Orginals. Der Entwurf ziele nicht darauf ab, Geschichte zu machen, sondern Natur (vgl. ebd.). Die digitalen Kopiervorgänge wollen weniger dokumentieren denn die grundlegende Umfunktionierung des Wissens in Ontologie. Eine das menschliche Selbstverständnis kippende Tatsache wird dabei zur grundlegenden Weichenstellung: ´Im Universum ist die Information, nicht das organische Leben wichtig´ (vgl. Dotzler 1996, 161). Das organische Leben ist nur die Folge der genetischen Informationen. Abstrakte Informationen sind wesentlicher als deren ´fleischliche Inkarnation´ und weder der Körper als Resultat seiner genetischen Codierung, noch Sinn als schöngeistige Informationsredundanz sind entscheidend. Die Utopie der reinen Informationen, die reine Information als Formel dessen, was sie lebensweltlich ist, verschwistert sich mit dem evolutionären Weltgeist - und hat im Digital das Hausrecht: Gene als Essenz des Menschen, Kultureme als Generalnenner der Kulturen, Gleichungen als Übersetzung der Naturgesetze, Aktome als Handlungsschemata, Phoneme als Grundlage der Linguistik etc. (vgl. Flusser 1991b, 152) sind der Baukasten der virtuellen Schöpfung. Mensch und Lebenswelt sichern dem Digital als eine Art Bypass nur die Informationszufuhr.

Problemlos und für das Irdische ungefährlich lassen sich Mutationen im Digital durch Informationsgenetik erstellen, womit die Evolution im Digital fortgeschrittener wird als in der Natur. Der Natur stehen die gentechnischen Innovationen ´auf weitem Felde´ erst noch bevor. Ebenso sind Kultur, Wissen, Sprache, kurz: die Lebenswelt in digitaler Form wandlungsfreudiger als realiter. Die ´sozialen Systeme´ werden durch die Interfaces auf Distanz gehalten. So sehr sich Kommunikation bereits vom lebensweltlichen ´Miteinander Reden´ emanzipiert hat, so schwindet im Virtuellen auch die Normalität des real life. Stattdessen können die ´reinen´ Informationen im Digital neu gegeneinander losgelassen werden. - Stelarc behauptet immerhin, "Anzeichen einer fremden Intelligenz können auch von diesem Planeten kommen" (1995, 76).

Im Digital also steht die Weiterführung der - technologisierten - Evolution bevor, nicht in natürlichen Biotopen. Anstatt den Verlust der überholten, alten Welt zu bedauern, empfiehlt Weibel, die Veränderung des Realen im Digital ´als neue menschliche Souveränität und Stärke zu empfinden´ (vgl. 1989, 110). Sie sollte jedoch weder einem Simsalabim des Simulakrum aufsitzen, noch im technologischen Blindflug erfolgen, sondern als hellwache Wahrnehmungsreflektion. Angesichts der Digitalcodierung von Genmasse und Wissen ist paradoxerweise Digitalanschluß nötig, die Souveränität sowohl zum Einsatz zu bringen als auch zu lenken. Einem nur organischen Dasein droht der ´Ausnahmezustand der Sinne´ (vgl. Reck 1994, 88). Erst digital gedopt ´sieht´ man richtig. Andernfalls vegetiert der ´herkömmliche Mensch´ wahrnehmungstaktisch dahin und gleicht einem Tier, das ja nicht einmal fernsehen kann.



[1] Der Wunsch nach ´Allwissenheit´ aber widerspricht der menschlichen Konstitution grundsätzlich. Sie zeichnet sich gerade dadurch aus, aus dem komplexen Allwissen selektieren und auch Vergessen zu können. Würde man sich an alles erinnern, wäre man Autist und könnte in der Informationstotalität kaum mehr Relevanzen setzen.

[2]Negroponte sieht bereits die ´digitale Weltharmonie´ (vgl. 1995, 279). Der ´ewige Friede´ scheint unmittelbar bevorzustehen, denn, das ´intelligente und hilfreiche´ Internet ansprechend, empfiehlt er: "Die dreißig Millionen Mitglieder des amerikanischen Rentnerverbandes ... stellen eine kollektive Erfahrungsquelle dar, die bislang noch nicht angezapft worden ist. Würde man diese enorme Quelle an Erfahrung und Weisheit den jungen Menschen zugänglich machen, dann wäre der Generationskonflikt mit wenigen Tastaturbefehlen gelöst" (vgl. ebd. 247).

[3]Wenn Marylin Monroe derzeit erste virtuelle Gehversuche im Viruellen macht und dabei aussieht, als hätte sie einen Besenstil im Kreuz, mag man sich beruhigen, denn ´sie wird schon noch werden´. Man kennt ihre Grundwerte, man weiß, wie sie sprach und wird ihr ihre Mythen im Virtuellen schon noch zuflüstern. Authentisch aber wird sie kaum wiederherstellbar sein, da gewisse IQ-Messungen nicht mehr erstellt werden können. Doch kommt es dem Virtuellen weniger auf naturgetreue Simulationen an. Das ob oder nicht der Naturauthentizität weicht dem hohen Auflösungsgrad der Darstellung: Marylin wird nicht authentisch werden, als beliebig variierbare Barbiepuppe dafür aber - mit individuell bestimmbarer Oberweite - perfekt werden. Sie wird, gut programmiert, kaum auf die Idee kommen, Selbstmord zu begehen.

 

 

 

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